Wie ich wurde, wer ich bin
Eigentlich war es nur als kleiner Nebenjob gedacht, das mit den Cocktails. Ich war 17 und ging noch zur Schule, als ich 1999 anfing, in einer Bar zu jobben. Drinks durfte ich damals noch nicht mixen, aber ich sorgte dafür, dass sie schnell und gut gemacht werden können. Wusch Gläser und polierte Shaker, holte Getränkenachschub aus dem Keller und schnitt Limonen.
2001 spendierte der Chef allen Mitarbeitern einen Bar-Kurs. Das hat mich gecatcht. Ich war total begeistert, notierte mir jede Info und wollte noch mehr wissen. So wurde ich in der Bar vom Runner zum Cocktailmixer. Nebenbei begann ich BWL zu studieren. Es interessierte mich nicht, aber ich hatte keinen Plan, was ich später mal werden will. Besser BWL als nichts, dachte ich. Bis ich 2005 bei einer Vorlesung fragte, wozu wir die Formeln brauchen. „Die werden Sie wahrscheinlich nie brauchen, es ist nur für die Prüfung wichtig“, sagte der Prof. Da machte es Klick in mir. Wenn ich das nicht brauche, wozu sitze ich dann hier? Ich war ohnehin schon seit einer Weile ziemlich demotiviert, mir war das alles zu theoretisch und ich wollte nicht in irgendeine Bank oder ein Büro. Wozu also weitermachen?!
Ein halbes Jahr später schmiss ich das Studium. Und fing als Barchef in einer neu eröffneten Location an. Nebenbei organisierte ich Cocktail-Caterings – diese Geschäftsidee hatte ich 2003 bei einem Event kennengelernt, sie hat mich damals schon überzeugt. 2008 dann hatte ich so viele Anfragen, dass ich in der Bar kündigte und mich nur noch auf die Caterings konzentrierte. Das ist also mein Job und mehr als das, denn es füllt mein Leben ziemlich aus.
Warum ich liebe, was ich tue
Wenn ich bei einem Event an der Bar stehe und einen Drink nach dem nächsten über den Tresen reiche, bin ich voll im Flow. Oft mixe ich 200/300 Drinks in wenigen Stunden, aber obwohl das stressig ist, beruhigt es mich.
Drinks mixen ist wie kochen und ich bin ein begeisterter Koch. Meine Eltern haben sich früh getrennt, ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen, und weil sie berufstätig war, musste ich mich mittags alleine ums Essen kümmern. Klar, ich habe mir natürlich oft einfache Sachen gemacht, Nudeln zum Beispiel. Aber die Soße habe ich immer selbst gekocht. Und ich kann mich gut daran erinnern, wie viel Spaß es mir gemacht hat, mit verschiedenen Zutaten herumzuexperimentieren.
Zurück zu den Drinks: Meine Experimentierlust ist geblieben. Ich habe ständig neue Ideen, welche Lebensmittel einen leckeres Getränk ergeben würden. Das lässt sich gar nicht abschalten. Wenn ich im Restaurant bin und etwas Leckeres esse, was ich noch nicht kenne, rattert es schon in meinem Kopf und ich überlege, wie ich diesen neuen Geschmack ins Glas zaubern kann. Und wenn ich über einen Trödelmarkt gehe und schöne Kristallgläser sehe, habe ich sofort einen Drink im Kopf, der darin schön zur Geltung käme.
Wie ich dort lande, wo ich hin will
Einen neuen Drink mixe ich zuerst im Kopf zusammen. Oft lande ich beim anschließenden „Ausmixen“ gleich beim ersten Versuch da, wo ich hin wollte. Liegt wohl daran, dass ich im Laufe der vielen Jahre verstanden habe, wie sich verschiedene Zutaten zueinander verhalten, da muss ich bei Neukreationen dann nur noch etwas Fantasie reinbringen. Wenn die Mischung stimmt, schreibe ich das Rezept auf, ganz altmodisch per Hand. Und dann wird es abgeheftet, zur Sicherheit, damit ich es mal nachschlagen kann, wenn ich mir nicht mehr sicher bin. Muss ich aber meistens nicht.
Ich habe etwa 300 bis 400 Drinks im Kopf, die ich mischen kann, ohne die Rezeptur nachzuschlagen. Für die Mengenangaben merke ich mir in der Regel einfach eine Zahlenreihe: 6-3-2 ist zum Beispiel die universelle Formel für einen „Sour“, ganz gleich, ob man ihn mit Whiskey, Rum oder Gin trinkt.
Ein Drink besteht aber nicht nur aus richtig zusammengemischten Zutaten, er ist ein Gesamtkunstwerk. Wenn ich mir einen neuen überlege, geht es deswegen nicht nur um den Geschmack, sondern auch um den Namen, das Glas und die Deko, es muss alles passen.